Als die FDP vor knapp sieben Jahren wieder in die Bundesregierung eintrat, wurde im Wahlkampf das letzte Mal intensiv über Steuern diskutiert. Im Ergebnis profitierte die FDP kurzfristig davon. Langfristig aber war das Scheitern dieser Partei im Kern bereits angelegt. Die Versprechungen gegenüber der Hotellobby, die Umsatzsteuer für Übernachtungen von 19% auf 7% zu senken, klebte der FDP seither als „Steuersenkungspartei“ an den Hacken. Den Hoteliers hat es übrigens viel geholfen. Die Hotelumsätze sprangen 2010 um 7% kräftig an, und wuchsen auch danach um 3% jährlich. Auch die Zahl der Beschäftigten in dieser Branche ist zwischen 2010 und 2015 um 200.000 gestiegen, wahrlich gute Werte. Geholfen hat es der FDP dennoch nicht, weil neben dem Imageverlust („Steuersenkungspartei“) auch der bürokratische Mehraufwand für Millionen reisender Angestellten und Selbständigen seitdem gestiegen ist – und das waren und sind Wähler! Übernachtungen werden mit 7% Mehrwertsteuer, Frühstück mit 19% belastet – man ahnt, wem die Flüche derjenigen trafen, die sich seitdem mit ihren Reisekostenabrechnungen herumschlagen.
Anderes Beispiel, gleiche Wirkung. Die Regierung Schröder entschloss sich 2001, die komplizierte Körperschaftssteuer – die Einkommenssteuer der Unternehmen – zu vereinfachen und stufenweise zu senken! Fortan zahlten Körperschaften, also GmbHs und AGs nur noch 15% Steuern vom Gewinn, zuvor waren es 25%. In der Folge stiegen die Einnahmen aus Körperschaftssteuern von 2002 auf 2003 um 289% und haben sich seitdem versechsfacht! Steuern senken heißt nicht automatisch weniger Steuereinnahmen, sondern mehr! Leider fehlt Vielen das Verständnis für diesen Zusammenhang. So kommt es, dass hartnäckig und ohne Unterlass wie ein Trommelfeuer die Forderung nach Steuerhöhungen von Linkspartei und weiten Teilen der SPD und Grünen kommen, gerade jetzt wo es gilt sich für den Wahlkampf zu rüsten. Der Regierung Schröder hat die Körperschaftssteuerreform nicht geholfen. Sie führte 2005 zur Wahlniederlage und Übernahme der Regierung durch Angela Merkel.
Steuern werden immer komplizierter. Neue Gesetze ergänzen alte Vorschriften, Ausnahmetatbestände nehmen zu und am Ende weiß niemand mehr, wie man Steuern richtig berechnet. Am allerwenigsten die Finanzämter und deren Beamten, die von Fortbildung zu Fortbildung eilen und gleichzeitig ihre überlasteten IT-Systeme bürgerfreundlich gestalten sollen. Es profitieren Steuerberater, deren Zahl sich in den letzten 10 Jahren um 40% gesteigert hat. Immer weniger Steuerpflichtige trauen sich zu, selbstständig eine Steuererklärung zu erstellen. Zu riskant, man könnte viel Geld verlieren, das Dickicht der Steuervorschriften ist undurchschaubar. Das ist ungerecht, denn nur die Gutverdiener können sich Steuerberatung leisten und sich daraus Vorteile verschaffen.
Das andere Missverständnis betrifft die sogenannten Unternehmenssteuern. Gerecht ist, wenn Unternehmen wie Privatpersonen die gleichen Steuern bezahlen, oder? Da habe ich meine Zweifel. Nehmen wir z. B. Amazon. Über 10.000 Vollzeit Angestellte spülen über die Lohnsteuer ca. 50 Millionen EUR in die öffentlichen Kassen, dazu kommen die Sozialabgaben. Vom Umsatz in Höhe von ca. 10 Mrd. EUR (2015) fließen zusätzlich 700 Mio. EUR Umsatzsteuer, alles beträchtliche Summen. Internationale Unternehmen können ihre Gewinne in die Länder leiten, in denen die Steuersätze am niedrigsten sind. Das lässt sich nicht vermeiden, es sei denn durch den moralischen Bann der Kunden. Ein pragmatischer Blick wäre hier hilfreich. Warum sollte man eine Eskalation in Gang setzen? Im Ergebnis erhält man immer kompliziertere Steuerregeln einerseits und erzeugt einem Boom an Steuervermeidungsexperten andererseits. Es entstehen Steuerregeln, die keiner versteht und beträchtlicher Mehraufwand für die Bezahlung von Steuerexperten. D. h. mehr Bürokratie, mehr Steuerprozesse, mehr Steueranwälte und…. weniger Vertrauen in das Steuersystem, wollen wir das? Der Verdruß führt auch dazu, dass sich Wähler abgehängt fühlen und als Reaktion darauf rechtsgerichteten Parteien folgen.
Und ein letztes Wort zur „schwarzen Null“. Die Regel, dass der Staat nicht mehr ausgeben darf, als er einnimmt, findet sich nicht nur im Maastricht Vertrag, sondern auch im Grundgesetz. Im Artikel 109, Abs. 3 steht unmissverständlich: „Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen von Krediten auszugleichen“. Punkt! Wer Forderungen nach höheren Steuern mit der Absicht aufstellt, Infrastruktur und andere Projekte zu fördern, vergeht sich an den Steuerzahlern, deren Abgaben schon heute weit über das Maß dessen hinausgeht, was die Finanzierung der Fürsorgepflichten des Staates betrifft. Einst als Finanzquelle für die Mächtigen zur Finanzierung von Kriegen gedacht, inzwischen als das Heil für jede Korrektur und Regulierung scheinbarer Missständen von der Politik missbraucht. Finden wir ein neues Maß dafür, wo Selbstverantwortung beginnt und staatliche Eingriffe schädlich sind. Heute, am 12.07. 2016 ist der Tag, an dem rechnerisch das Gehalt auf den Konten der Gehaltsempfänger landet, vorher ging alles über Steuern und Abgaben an den Staat.
Es wird höchste Zeit, den Verdiensten der Herren Paul Kirchhoff und Friedrich Merz endlich ein Update zu spendieren und die Steuerdiskussion im Vorfeld der nächsten Bundestagswahlen zu intensivieren und zu versachlichen.
Zum Abschluss ein paar Vorschläge zur Erhöhung der Steuergerechtigkeit:
1. Steuersätze vereinfachen, proportional bei max. 25%.
2. Ausnahmetatbestände streichen, Pauschalen erhöhen.
3. Einnahmequellen vereinheitlichen.
4. Kapitalertragssteuern mit EU-Partnern auf niedrigem Niveau harmonisieren (15%), denn Kapital ist und bleibt flüchtig.
5. Unternehmenssteuern senken: Unternehmen tragen indirekt über die Lohn- und Umsatzsteuer erheblich zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben bei. Die Körperschaftssteuer stellt schon heute nur einen unbedeutenden Teil des Steueraufkommens dar.
6. Grunderwerbssteuern senken, um die Vermögensbildung zu fördern.
7. Umsatzsteuer vereinfachen, z. B. nur Erhebung an Endverbraucher,
keine Besteuerung von Unternehmen untereinander.
8. Gewerbesteuer vereinfachen und harmonisieren, um Steuerwettbewerb der Gemeinden zu unterbinden.